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Episode 606: The World Turned Upside Down

 

Episode 606

“The World Turned Upside Down”

Drehbuch: Toni Graphia
Regie: Justin Molotnikov

“Because I loved you more than the life that I had.”
(Claire Fraser)

ACHTUNG: Der folgende Text enthält Spoiler. Nicht nur Spoiler zur Serie und der aktuellen Folge, sondern auch zu allen Büchern von Diana Gabaldon, die bis zum heutigen Datum erschienen sind.

Wie bereits in der letzten Woche haben die Serienverantwortlichen erneut bewiesen, wie viel Buchmaterial sie in einer Folge zeigen können, ohne dass wesentliche Inhalte verloren gehen.
“The World Turned Upside Down” – das gilt nicht nur in Bezug auf Claires vermeintliche Ruhr-Erkrankung, aufgrund dieser ihre Liebsten um ihr Leben bangen, sondern auch für Malvas falsche Anschuldigungen bezogen auf die Vaterschaft ihres Kindes. Diese beiden zentralen Handlungsstränge stellen die Welt unserer Protagonisten sprichwörtlich auf den Kopf, denn danach wird nichts mehr sein, wie es war.
Und damit wir Zuschauer ein Gefühl dafür bekommen, wie es ist, wenn die eigene Weltanschauung um 180 Grad kippt, beginnt diese Folge mit einer verkehrten Kameraeinstellung, die sich während Rogers Predigt wieder in die richtige Position dreht. 

Erst bin ich von dem Elch im Fluss, den die Title Card zeigt, verwirrt. Aber seine Bedeutung wird im weiteren Verlauf der Folge klar und ich denke, die Rolle, die dieses Tier spielt, wird einer Title Card durchaus gerecht.

Sundays at the Ridge
Die Folge beginnt mit Rogers Predigt vor der Gemeinde und Malva, die die Händchenhaltenden Frasers von ihrer Kirchenbank aus anstarrend beobachtet.
Nach dem Gottesdienst sagt Jamie zu Roger “You’re doing a fine job, Roger Mac.”, der das Lob seines Schwiegervaters sehr zu schätzen weiß. Auch wenn die Beziehung der beiden lange nicht mehr so staksig ist wie in Staffel 5, freue ich mich trotzdem immer wieder, wenn Jamie ein paar anerkennende Worte für seinen Schwiegersohn findet.
Im Laufe des Gesprächs wundert sich Roger, warum die MacNeills nicht am Gottesdienst teilgenommen haben. Kleine Gedächtnisauffrischung: die MacNeills sind das junge Paar, das wir in Episode 603 beim Quarter Day gesehen haben.
Irgendwann wendet sich das sonntägliche Geplaudere Fergus, Marsali und ihrer Druckerei in New Bern zu. Obwohl alle anwesenden Frasers/MacKenzies Fergus und seine Familie schmerzlich vermissen, gönnen sie ihnen das neu gefundene Glück, auch wenn sie sich dadurch seltener sehen. Jamie gesteht, dass er Fergus Verzweiflung hätte eher bemerken müssen, worauf Claire antwortet “You love them. You wanted to keep them near.” Mmh?? Meiner Meinung nach keine passende Antwort auf Jamies Geständnis, denn ich höre für mich: ”Kein Problem, dass sich dein Sohn beinah das Leben genommen hat und du dieses hast kommen sehen. Aber was soll`s, du liebst ihn und deshalb wolltest du ihn und seine Familie in deiner Nähe behalten. Da kann man schon einmal über schwere Depressionen und eine beginnende Alkoholsucht hinwegsehen. Hauptsache die Kinder sind in der Nähe.”

Patient Null
Spätestens seit Corona wissen viele von uns, wer oder was mit dem Begriff “Patient Null” gemeint ist. Dieser ist in der Epidemiologie der Indexpatient, von dem die Ausbreitung einer Krankheit ausgeht. So werden die Mitglieder der Familie McNeill (oder vielleicht doch der Elch?) im OL-Universum zum “Patienten Null” und leider kommt für einige von ihnen jede Hilfe zu spät – auch für den Elch.
Außer, dass wir in dieser Szene erfahren, dass eine Ruhr-Epidemie über Fraser Ridge rollt und viele Bewohner ihr zum Opfer fallen, lernen wir, dass Claire “damn it” viel flucht, wenn sie unter extremen Stress steht und dass es nicht förderlich ist, wenn sie von Lizzie und Malva alle drei Sekunden mit “Mistress” angesprochen wird. Außerdem frage ich mich, was Lizzie verdammt nochmal nicht verstanden hat, als Mistress gesagt hat “Don’t touch your faces.”, wenn sie sich vor Entsetzen die Hand vor den Mund schlägt.

Die Ruhr (und nein, es ist nicht der Fluss)
Als Buchleser weiß ich, was kommen wird, wenn die Ruhr auf der Ridge ausbricht. Da Claires schwere Erkrankung und Malvas Anschuldigungen zu meinen liebsten Momenten aus Band 6 gehören, erwarte ich gespannt und mit klopfendem Herzen die nun kommenden Szenen, vor allem Jamies Reaktion, wenn seine Sassenach ihm fast vor den Augen wegstirbt.
Leider bin ich von dem, was die Serienverantwortlichen aus dem Buchmaterial gemacht haben, enttäuscht. Ja, der Kern der Aussage ist da, wenn sie eine schweißgebadete, fiebernde und stöhnende Claire zeigen, die an der Schwelle des Todes steht, aber wo Bitteschön sind die Emotionen? Wo ist Jamies Hilflosigkeit und seine grenzenlose Verzweiflung? Wo sind seine Tränen, wenn er Claire mit kurz geschnittenen Haaren sieht? Wo ist sein innerer Kampf, nicht an der Last der Ungewissheit zu zerbrechen, ob es noch ein morgen oder eine nächste Stunde oder Sekunde für die Liebe seines Lebens in dieser Welt geben wird? Obwohl wir in einer Mini-Sequenz im Ansatz Jamies Sorge sehen, wenn er an Claires Bett sitzt, geht leider die Tiefe seiner Gefühle und seine verzweifelte Hilflosigkeit auf dem Bildschirm verloren. Ich finde es sehr schade, dass man hier eine Chance verpasst hat, Sams Schauspieltalent vollends auszuschöpfen und als Buchleser lassen mich diese dramatischen Minuten leer und unbefriedigt zurück.
Waren meine Erwartungen zu hoch oder ich habe die Buchszenen anders in Erinnerung? Vielleicht haben die Serienverantwortlichen versucht, sich an die Handlung im Buch zu halten, in der wir Claires Erkrankung auch nur durch ihre Auge lesen. Meiner Meinung nach haben die Serienverantwortlichen versäumt, das Medium der visuellen Darstellung zu nutzen, denn Jamies physische Abwesenheit während Claires Delirium fühlt sich falsch und unvollkommen an. Ich will sehen, wie Jamie vor Sorge fast verrückt wird.
Ich will sehen, wie Malva und Mrs. Bug Claire die Haare abschneiden. Ich will Jamies wütende Reaktion und seine anschließenden Tränen der Verzweiflung sehen. Ich will sehen, wie sich Jamie und Bree in den Armen halten und sich Kraft geben, wenn sie nichts anderes machen können, als beten und warten, ob Claire zu ihnen zurückkommen wird.
Auch bei Claires Fiebertraum fehlt mir der Wendepunkt aus dem Buch, wo sie sich bewusst für Jamie und gegen den Tod entscheidet, wenn sie ihn und seinen Schmerz sieht. Ich weiß, warum die Serienverantwortlichen den Moment, als Malva Jamie tröstet, aus Claires Sicht gezeigt haben, aber aus einer anderen Kamera-Perspektive, aus der wir auch Claires Reaktion hätten sehen können, wäre es meiner Meinung nach besser bzw. anders gewesen.
Dagegen hat mir Jamies Entscheidung, Claire in ihr Bett zu bringen, sehr gut gefallen. Jamie sieht und fühlt, wie schlecht es um sie steht und erweist ihr vielleicht die letzte Ehre, damit sie, wenn das Schlimmste eintrifft, in ihrem Ehebett sterben darf und nicht in dem Bett in ihrem Untersuchungszimmer. Jamie weiß aus eigener Erfahrung, wie sicher und geborgen er sich in ihrem Ehebett gefühlt hat, als er damals in Folge 509 fast an dem Schlangenbiss gestorben wäre und Roger und Young Ian gebeten hat, ihn in sein Bett zu bringen. Es ist sehr ergreifend, wenn Jamie langsam die Treppe hinaufgeht, während er Claire in den Armen hält, nicht wissend, ob sie jemals diese Stufen auf ihren eigenen Füßen und nicht auf einer Bahre wieder herunterkommen wird. Auch die kurze Sequenz, in der wie ihn mit verzweifelter Miene an Claires Bett sitzen sehen, ist herzzerreißend.
Leider sind diese beiden Momente alles, was wir Zuschauer an großen Gefühle und Trauer zu sehen bekommen, da in der nächsten Szene Jamie und Malva in der Küche sitzen und sich angeregt über Schlangen unterhalten und über Mr. Crombie schmunzeln, während Claire eine Etage über ihnen um ihr Leben kämpft. Really? Ich kann zwar absolut nachvollziehen, dass diese Unterhaltung plottechnisch benötigt wird, aber doch bitte nicht, während Claire todkrank im Bett liegt. Weder Buch-Jamie noch TV-Jamie würde auch nur für eine Sekunde von Claires Seite weichen, oder?

Als Claire erwacht und entsetzt über ihre kurzen Haare ist, sagt Roger zu ihr “Nothing could ever make you less beautiful.” Ich mag diesen Augenblick sehr und Rogers Aussage stimmt mich ein wenig versöhnlich für die zuvor verpassten Gelegenheiten, denn sie ist viel mehr wert, als sein “You’re beautiful.”  aus dem Buch. Auch Brees Reaktion auf die Genesung ihrer Mutter ist wie im Buch beschrieben und ich bin sehr dankbar, dass Toni Graphia ihr den Satz “You are not allowed to die.” ins Drehbuch geschrieben hat. Besonders bewegend ist der Moment, in dem sich Mutter und Tochter in den Armen liegen, nachdem Bree eröffnet hat, dass sie schwanger ist.
Während Claire in ihrem Bett langsam wieder zu Kräften kommt, verbringen Jamie und sie viel Zeit miteinander. Claire erzählt ihm, dass sie in ihrem Fiebertraum absurde Dinge gesehen hat, unter anderem auch eine Schlange im Haus. Na, für welche junge, dunkelhaarige Frau kann das wohl ein Synonym sein?
Übrigens muss ich an dieser Stelle dem Make-Up-Departement ein großes Lob aussprechen, denn Cait sieht wirklich so aus, als ob sie eine Woche lang fiebernd im Bett gelegen hat – vor allem ihre graue Gesichtsfarbe finde ich beeindruckend überzeugend.
“I’d be very angry, Claire, if ye died and left me.” gesteht Jamie, aber auch hier fehlen mir die E-M-O-T-I-O-N-E-N, denn im Vergleich zum Buch verliert dieser Satz einiges an Tiefe und leider liefert Sam ihn meiner Meinung nach steif und hölzern ab.

A small measure of …
Die nächste Szene, in der Claire Tom Christie besucht, stammt fast wortwörtlich aus dem Buch. Die Unterhaltung zwischen den beiden ist höflich, an manchen Stellen sogar freundlich und Tom scheint sich über Claires Besuch zu freuen. Nachtigall, ich hör dir trapsen, denkt sich da manch Buch-Leser!
Claire fühlt sich durch ihr Gespräch mit Tom bestätigt, dass beide nicht die Ruhr hatten, sondern an einer anderen Krankheit gelitten haben. Um sich ihre Annahme zu bestätigen bittet sie Tom um “a small measure of…some fecal matter”, dessen entsetzte Reaktion ihn sofort wieder in den für ihn typischen Verteidigungsmodus, verbunden mit schockierenden und anklagenden Blicken, fallen lässt. Claires Bitte beendet umgehend die Unterhaltung und wer kann es Tom verdenken. Wie würdet ihr reagieren, wenn euer Besuch so mir nichts dir nichts um eine Stuhlprobe bitten würde? Und da sind wir wieder bei dem, was ich schon in meiner Review zu Folge 603 in Bezug auf die “Beziehung” von Claire und Tom geschrieben habe – einen Schritt nach vorne und wieder zwei zurück.

Claire kommt völlig entkräftet von ihrem Besuch nach Hause und Jamie begleitet sie in ihr Schlafzimmer, wo er es sich nehmen lässt, sie auf eine liebevolle Art und Weise für ihren Ausflug zurechtzuweisen. “If you were no longer there… Or somewhere… Then the sun would no longer come up or go down.” sagt Jamie zu Claire. Da! Da ist er! Der Moment, auf den ich schon die ganze Folge warte. Der Moment, in dem ich endlich Jamies Liebe, seine Angst und seine Verzweiflung in seinem Gesicht sehen, in seinen Augen lesen und seiner Stimme hören kann – all das, was ich während Claires Fieber vermisst habe. Und nicht nur, weil ich im Hintergrund das Jamie und Claire Theme läuft, sondern weil es sich richtig und echt anfühlt.

Auch die nachfolgende Szene, in der Claire später in der Nacht von einem lauten Poltern geweckt wird und sie feststellt, dass Jamie auf dem Boden neben ihrem Ehebett schläft, ist sehr gut gelungen. “That reminds me of years ago when we went to collect the rents…” sagt Jamie und auch ich denke sofort an die Anfangszeit von Outlander zurück, in der Jamie in Folge 105 “Rent” vor Claires Tür geschlafen hat. Mein Gott, es kommt mir vor wie eine halbe Ewigkeit, als ich diese Folge das erste Mal gesehen habe und ganz aus dem Häuschen war, weil ich mein Lieblingsbuch endlich nicht nur lesen, sondern auch wirklich und leibhaftig sehen konnte.
Das nachfolgende Gespräch über Claires Tugenden und Vorzüge kommt sehr nah an die liebevollen Wortgeplänkel zwischen den Frasers aus den Büchern heran, die ich besonders gerne lese und die mich immer sehr amüsieren. Jamie gesteht Claire “
Above all the creatures on earth, you’re faithful.” und dieser Satz bekommt im Zusammenhang mit den Dingen, die in dieser Episode noch passieren werden, eine ganz besonders wichtige Bedeutung, auch da Claire bestätigt, dass auch Jamie in ihren Augen sehr treu ist.

It was him
In dem Augenblick, in dem Familie Christie mit ihrem Pferdewagen am “Big House” ankommt, denke ich nur noch Showtime! Das wird ein Spaß – zumindest für uns Zuschauer, für die anwesenden Charaktere eher nicht.
Tom eröffnet den Frasers “My daughter finds herself with child.” – lasst die Spiele oder wohl eher die Anschuldigungen und infame Lügen beginnen! Wo ist das Popcorn? Wo sind die Erfrischungsgetränke?
Die auf diese Ankündigung nachfolgende Szene stammt fast wortwörtlich aus Kapitel 80 aus Band 6, das im Original übrigens auch “The World Turned Upside Down” heißt, so wie diese Folge. Meiner Meinung nach haben alle Schauspieler und auch Drehbuchautorin Toni Graphia und Regisseur Justin Molotnikov ins Schwarze getroffen. Diese Szene macht Spaß, denn sie ist wieder einmal ein Beispiel, wie gut die “Verfilmung des Buches” den Verantwortlichen oft gelingt. Zu Beginn der Szene wird Malva von Jamie ermutigt, ihm zu verraten, wer der Vater ihres ungeborenen Kindes ist. Er hat diesen weichen und verständnisvollen Ausdruck in seinem Gesicht, so als ob er mit seinen Enkelkindern spricht, wenn sie etwas ausgefressen haben und er ihnen versichert, dass ihnen nichts geschehen wird, wenn sie nur die Wahrheit sagen. Aber Jamies Mimik ändert sich schlagartig. Sein Gesichtsausdruck der Verblüffung und des Unverständnisses ist unbezahlbar, als Malva ihn mit ihrer Aussage “It was him.” beschuldigt, der Vater zu sein und anklagend mit dem Finger auf ihn zeigt. Sie erzählt ausschmückend, in allen Einzelheiten, was an dem Tag zwischen ihr und Jamie vorgefallen ist. Claires Augen füllen sich mit Tränen, aber es sind keine Tränen des Verrates und des Vertrauensbruches, weil ihr Ehemann sie betrogen hat. Es sind Tränen der Wut und der Enttäuschung, denn sie weiß, dass all das, was Malva behauptet, all das, was sie Jamie vorwirft und all das, weswegen sie ihn beschuldigt, nicht wahr ist. Malva sagt “And then he took me, against the wall whilst you lay sleeping, so great was his need…” – und das ist der Moment, in dem Claire sich vergisst und sich Malva von ihr eine schallende Ohrfeige einfängt, bevor Claire aus dem Haus stürmt. Übrigens nicht, weil sie Jamie im Stich lässt und ihn sich selbst überlassen will, sondern weil sie nicht weiß, wie sie mit den tausend Emotionen, die auf sie einstürmen, umgehen soll. Daher zieht sie sich lieber aus der Situation zurück, bevor sie noch Schlimmeres macht, als Malva zu ohrfeigen. Aber Claire kann nur gehen, weil sie Jamie vertraut und genau weiß, dass er diese Situation auch ohne ihre Anwesenheit händeln kann und sie ihm keine große Hilfe ist, so aufgebracht und verwirrt, wie sie im Moment ist.
Malva zählt als Beweis dafür, dass sie die Wahrheit sagt, Jamies Narben auf und nicht nur die auf seinem Rücken, sondern auch die, die nicht alle kennen, wie die Narbe, die das Entfernen von BJ Brandmal in der Höhe seiner Rippen hinterlassen hat und die auf der Innenseite seines Oberschenkels, wobei ich gerade nicht weiß, woher diese stammen könnte (vielleicht vom Schlagenbiss). Buchleser haben sich oft gefragt, woher Malva von Jamies “geheimen” Narben wusste, aber in der Serie ist es ganz klar, wie sie ihre Informationen bekommen hat, da sie in der vorletzten Folge Jamie und Claire beim Sex beobachtet hat. “Get out. Take your daughter and leave my house.” sagt Jamie mit leiser und beherrschter Stimme. Aber jeder, der ihn gut kennt, weiß, dass sich hinter dieser ruhigen Gefasstheit eine ordentliche Portion Wut verbirgt.
Dass Sam und Cait spielen können, das wissen wir schon lange und es ist toll, wie Sam uns Jamies konkurrierende Gefühle in Form von Wut, Angst und Unverständnis zeigt, die auf ihn einbrechen, wenn er Malvas Anschuldigungen ausgesetzt ist. Dass Jessica Potenzial hat, hat sie uns in den letzten Folgen immer wieder bewiesen. Aber diese Szene? Himmel, kann die Frau schauspielern. Wie macht sie das, dass sie ihren Charakter so gut spielt, dass sie so überzeugend manipuliert und selbst mich, als langjährige und passionierte Buchleserin, (fast) davon überzeugt, dass Malva die Wahrheit sagt und alle Anschuldigungen stimmen. 

Don`t belong here
Die anschließende Szene im Stall, in der Jamie und Claire über Malvas Anschuldigungen sprechen, gefällt mir sehr gut. Ich bin sehr dankbar, dass die Serienverantwortlichen klar und deutlich herausstellen, dass Claire nicht eine einzige Sekunde an Jamie gezweifelt hat, obwohl Jamie dieses denkt, weil Claire aus dem Haus gestürmt ist. Ist euch aufgefallen, dass Sam in der Szene oft, wenn nicht sogar immer, nervös die Finger seiner linken Hand aneinanderreibt? Hach, wie ich solche unwichtigen und doch so bedeutungsvolle Kleinigkeiten liebe.
Besonders beeindruckt hat mich Cait mit ihrer “Don`t belong here”-Rede und auch in der Sequenz, wenn Jamie zu Claire sagt, dass er ihr etwas sagen muss. Ich habe Claires Schock, ihren Schmerz und ihre Angst fühlen können und auch ihre Erleichterung nachempfunden, wenn sie erfährt, dass Jamie mit einer anderen Frau intim war, als sie nicht an seiner Seite sein konnte, weil sie nicht in seiner Zeit gelebt hat. Claires Gesicht besteht aus abertausend Fragezeichen, wenn Jamie den Name Mary MacNab in den Ring wirft und ihr fragender Gesichtsausdruck frei nach dem Motto “Who the f**k is Mary MacNab?” ist unbezahlbar.
Was mir am Besten in dieser Szene gefällt, ist zum einen, dass Jamie nicht mit leeren Worten versucht, Claire zu trösten und zum anderen, wie Claire voller Zärtlichkeit und Verständnis auf Jamies Geständnis reagiert. Ganz besonders berührt mich ihr “Sure you gave her tenderness.” und sie hat so viel Hingabe, so viel Liebe in ihrer Stimme und in ihren Augen.
Die Szene endet damit, dass Claire fest davon überzeugt ist, dass niemand Malvas Anschuldigungen Glauben schenken wird. Auch hier verzichtet Jamie der Ehrlichkeit zuliebe auf tröstende Worte, denn er wiegt Claire nicht in der Sicherheit einer Illusion, sondern sagt ihr, wie es sein wird – jeder wird Malva glauben.

More Drama
Wenn Roger und Bree durch den Wald gehen, erfahren wir Zuschauer, dass Jamie, wie eigentlich immer, Recht behalten hat, denn Mrs. Bug, die die Auseinandersetzung zwischen den Frasers und den Christies belauscht hat, hat die Lügenpresse angeworfen und Malvas Geschichte auf Frasers Ridge verbreitet.
Selbst Bree zweifelt an ihrem Vater und auch, wenn ich verstehe, woher diese Zweifel kommen, bedenkt man ihre Erfahrung mit Frank, der ihre Mutter mit Mandy oder Candy oder Sandy betrogen hat, mag ich das überhaupt nicht. Daher bin ich sehr dankbar, dass Rogers Vertrauen in seinen Schwiegervater größer ist und kann seinen Worten “Jamie is an honorable man and he loves your mother deeply.” uneingeschränkt beipflichten. Ihr wisst ja, dass ich ein bekennender FoF (Friend of Frank) bin und dass ich meinen Buch-Frank in der Vergangenheit oft und vehement verteidigt habe, weil er für mich einer der missverstandensten Charaktere im OL-Universum ist. Daher blutet mein FoF-Herz, wenn Roger zu Bree sagt “Frank was a totally different situation. Your mother loved another man for years. Your father knew it, Brianna.” Poor, poor Frank, dessen einziges Verbrechen war, Claire bedingungslos zu lieben.

Claire zeigt echte Größe und wahre Stärke, als sie zu den Christies geht und Malva offen und verständnisvoll gegenübertritt. Mir gefällt ihre Aussage “You know, he and I have been through things that you couldn’t even imagine.” und mir fallen spontan 1 bis 342.972 schlimme und grausame Dinge ein, die Jamie und Claire durchgemacht haben, nur um am Ende als Paar gestärkter hervorzugehen – wie Wentworth, der Verlust von Faith, ein Krieg, eine zwanzigjährige Trennung, eine zweite Ehefrau, nur um ein paar davon zu nennen. Aber Claire kann Malva nicht abschließend erreichen, auch wenn ihre Fassade bröckelt, denn Allan kommt dazwischen, als er Claire als Hexe beschuldigt und Malva ihm ohne zu zögern zustimmt. Claire ist vielleicht eine Pazifistin, aber keine Masochistin und auch kein Dummkopf und sie weiß, wann sie eine Schlacht oder einen Menschen verloren hat. Daher wendet sich mit ihrer nicht als Bitte formulierten Aussage “Stay away from my family.” endgültig von Malva ab.

Am Rande sei noch schnell erwähnt, dass Young Ian seiner Auntie gesteht, einer der Männer gewesen zu sein, mit denen Malva auf der Ridge angebändelt hat. Daher bietet er sich an, sie zu heiraten, da das Kind vielleicht von ihm sein könnte. Aber Claire lehnt sein Angebot ab, denn sie glaubt zu diesem Zeitpunkt noch fest daran, dass Jamie eine Lösung für das “Problem” finden wird. Aber egal, wie mächtig Jamie ist, egal, wie sehr seine Männer zu ihm aufblicken, er kann nicht verhindern, dass Claires Leben auf der Ridge zum Spießrutenlauf wird, besonders, wenn er weg ist und im Kongress an der Revolution gegen die Briten mitwirkt. Claire wird von der Gemeinschaft geschnitten, niemand kommt mehr zu ihr, um sich behandeln zu lassen, selbst zwei Monate nachdem die Gerüchte über den Vater von Malvas Baby die Runde gemacht haben, haben die Menschen auf der Ridge nicht vergessen.

An einem solchen einsamen Tag ohne wirkliche Aufgabe spielt Claires PTBS ihr wieder einmal einen Streich und sie schließt sich panikartig in ihrem Untersuchungszimmer ein und flüchtet sich in einen Äther-Traum. Dieser entwickelt sich allerdings zu einem Alptraum, in dem Malva ihr sagt, dass sie unattraktiv ist, dass sie Jamie, das Haus haben wird und ihr am Ende alles gehört. In ihrem Traum hält Claire Malva ein Skalpell an die Kehle und droht ihr “You come near me or my husband again and I will fucking kill you.”
Nachdem der Äther seine Wirkung verloren hat, geht Claire in ihren Garten und findet dort Malva mit durchgeschnittener Kehle. Wie im Buch versucht sie das Baby zu retten und schneidet mit ihrem Gartenmesser Malvas Bauch auf, um das Baby herauszuholen. Aber es ist zu spät – Mutter und Kind sind tot und die letzten paar Sekunden Sendezeit zerreißen mir das Herz, wenn Claire um das tote Baby und um Malva verzweifelt weint.
Am Ende bleibt nur noch eine Frage offen – was werden die Serienverantwortlichen mit Claires Alptraum machen? Wird sie glauben, dass sie Malva ermordet hat? Wird sie jemanden gestehen, dass sie das denkt? Welche Folgen wird Claires Traum für sie und Jamie haben?

“The World Turned Upside Down” ist eine Folge, mit der Toni Graphia das Ende dieser Staffel einleitet. Eine Episode, die an vielen Stellen buchgetreu verfilmt ist und keine Wünsche offen lässt, die aber auf der emotionalen Ebene, besonders dann, wenn Claire erkrankt ist, für mich etwas in ihrer Perfektion hinkt. Durch diese Folge schließt sich der Kreis der “verlorenen” Babys im OL-Universum, denn Toni Graphia hat nicht nur dieses Drehbuch geschrieben, sondern auch das zur Episode 207 “Faith”, in der Jamie und Claire ihre Tochter verloren haben –  übrigens  ist meiner Meinung nach diese Folge ein absolutes Meisterwerk an Emotionen. Zwei Babys in zwei Folgen, die Claire beide nicht retten konnte und zu denen jeweils Toni das Drehbuch geschrieben hat – das kann kein Zufall sein, oder?

Je suis prest – Come what may!

@ Yvonne Pirch


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