Episode 603
“Temperance”
Drehbuch: Shaina Fewell
Regie: Justin Molotnikov
“I’m sorry. Never again.”
(Fergus Fraser)
ACHTUNG: Der folgende Text enthält Spoiler. Nicht nur Spoiler zur Serie und der aktuellen Folge, sondern auch zu allen Büchern von Diana Gabaldon, die bis zum heutigen Datum erschienen sind.
Die letzte Szene in dieser Folge weist uns im wahrsten Sinne des Wortes den Weg durch das vernebelte Dickicht der immerwährenden Zeitlosigkeit im Outlander-TV-Universum. Ich bin aufrichtig dankbar, das Major McDonald diese Zeitung mit zur Ridge bringt, da ich am Ende dieser Episode nicht nur weiß wo (Frasers Ridge) und wie (mit den Frasers und ihren Pächtern), sondern auch wann die Frasers sind. Nämlich irgendwann nach der “Boston Tea Party”, die am 16. Dezember 1773 als ein Akt des Widerstandes gegen die Briten im Bostoner Hafen passiert ist. An diesem Tag stürmten als Indianer verkleidete Siedler drei Schiffe der East India Company und warfen 342 Kisten Tee in das Hafenbecken (nähere Informationen findet ihr hier). Die “Boston Tea Party” gilt als Auftakt der Amerikanischen Revolution, da an diesem Tag erstmalig der Streit über die Steuerpolitik des britischen Parlamentes zwischen den Kolonisten in Amerika und den Kolonialbehörden, sprich Großbritannien, öffentlich eskalierte.
“Temperance” – im weitesten Sinne lässt sich dieses Wort mit “Mäßigung” oder “Abstinenz” übersetzen. Auch diesmal ist der Titel der Episode mehr als ein Begriff, denn er dient als Überschrift für die Rahmenhandlung, in der wir unsere Protagonisten wiederfinden: Fergus, der seinen Whiskykonsum auf Wunsch von Marsali mäßigen möchte und letztendlich abstinent wird – Tom, der sich in seinen Vorurteilen und seiner Gottergebenheit zurückhalten sollte – Claire, die unfreiwillig durch Toms Anwesenheit gezwungen ist, ihrem Äthermissbrauch zu widerstehen.
Mal ehrlich zugegeben – einmal kann Zufall sein, zweimal vielleicht Übung, aber dreimal ist wirkliches Können und so stellen sich auch die ersten drei Folgen dieser Staffel dar. Die erste Episode war großartig, die letzte Woche noch besser und die heutige Folge ist phänomenal. Ich liebe vor allem das buchnahe Storytelling und die zahlreichen wortwörtlichen Buchszenen in “Temperance” und nicht zu vergessen, die oft langen Charakter-Szenen, die sich langsam und leise vor unserem Auge in all ihrer Präsenz entfalten können, ohne dabei von einem Höhepunkt zum anderen zu jagen. Nicht, dass ich mich über die vergangenen Staffeln beklage, aber die ersten drei Folgen dieser sechsten Staffel sind in meinen Augen den Verantwortlichen besonders gut gelungen. Es fühlt sich für mich wie die konkrete Verfilmung von “Ein Hauch und Schnee und Asche” an und nicht wie eine Buchadaption. Denn es sind nicht nur die bestimmenden Handlungsstränge, die diese Folgen so besonders machen, sondern die vielen kleinen liebenswerten Momente, die eigentlich für die Story unerheblich sind. Meiner Meinung nach sind diese Sequenzen eine Hommage an alle Buchleser, denn niemals hätte ich erwartet, Rogers “Vrooms” oder Briannas “Muckle Wheel” zu sehen, noch den fetten, häßlichen Frosch in der “A De`il in the Milk”-Szene. Diesmal frage ich nicht für einen Freund, sondern für meine eigene Verwunderung: Was ist passiert? Sehen wir in dieser Staffel den Einfluss, den Sam und Cait als Produzenten haben?
Quarter Day…
Eine wirklich gut gelungene Szene, die es so in den Büchern nicht gegeben hat, zumindest nicht aus erster Hand. Aber Roger erwähnt im vierten Kapitel in “Das flammende Kreuz”, dass Jamie Pachteinnahmen für sein Land erzielt und daher liegt es nahe, dass seine Pächter in alter schottischer Tradition diese auf einem “Quarter Day” bezahlen.
Quarter Day – nicht nur ein Tag, um die Pacht an den Laird abzugeben, sondern ein Tag für das jährliche Zusammenkommen der Gemeinschaft, bei dem man alte Bekannte wiedertrifft, neue Freundschaften schließt, mit seinem Schwarm (oder in Lizzies Fall mit seinen Schwärmen) flirtet oder seinen einhändigen Nachbarn mit abschätzigen Blicken und bösen Worten verurteilt.
Wen erinnert der Quarter Day auf Frasers Ridge nicht auch an den aus Folge 112, in dem Jamie seine Premiere als Laird of Lallybroch hatte und wir als Zuschauer das erste Mal das Potential sehen konnten, das in unserem TV-JAMMF steckt. Auch diesmal schlägt Jamie sich beim “Einsammeln” seiner Pacht wirklich gut und wird dabei, nicht wie in Lallybroch von seinem Schwager Ian, sondern von seinem Schwiegersohn unterstützt. Ich denke, Brian wäre sehr stolz auf seinen Sohn, den Laird von Frasers Ridge, und auf das, was er nach all den Jahren der Entbehrung und der Einsamkeit für sich persönlich und seine Familie erreicht hat. Vor allem würde Brian sich sehr über das Glück freuen, das sein Sohn nach zwanzig Jahren Trennung von der Liebe seines Lebens am Ende doch noch gefunden hat und nach der langen Zeit der Entbehrung jetzt in vollen Zügen genießen kann.
Da es in dieser Folge hauptsächlich um Charakterentwicklungen geht, betrachte ich in meiner Review diese und ihren Background genauer……
Malva…
Manchmal ist Wissen macht und manchmal macht nichts wissen den Unterschied. Mich interessiert es sehr, wie Malva auf Nicht-Buchleser wirkt und wie sie diese kleine, zierliche, junge Frau einschätzen, die ihre Hinterhältigkeit und ihre kaltblütige Berechnung hinter einem hübschen Gesicht und einem unschuldigen Lächeln verbirgt. Leider kann ich diesen Charakter nicht voreingenommen betrachten, da ich Malva auch sechzehn Jahre nach Ersterscheinung von “Ein Hauch von Schnee und Asche” ihre Taten nicht verziehen habe, auch wenn ich es über die Jahre geschafft habe, ihre Motivation und ihre Verzweiflung besser zu verstehen.
Immer wenn ich diese dunkelhaarige Unschuld vom Lande mit ihrem schüchternen Augenaufschlag in Begleitung von Young Ian sehe, wie sie auf dem Bildschirm zusammen mehr Zeit als im Buch verbringen, überkommt mich ein leichtes Gruseln, das mir die Haare zu Berge stehen lässt. Es ist wie bei einem Horrorfilm, wo man als Zuschauer genau weiß, DAS etwas passieren wird und man das nächste potentielle Opfer warnen möchte, nicht die Treppe nach oben hinaufzurennen oder die Tür zu öffnen, wenn es klingelt. So würde ich Young Ian am liebsten zurufen, dass er seine Beine in die Hand nehmen und so weit weglaufen soll, wie seine Füße ihn tragen.
Young Ian…
In meinen Augen hat Young Ian seit der dritten Staffel eine der größten charakterlichen Entwicklungen im OL-Universum gemacht, denn nicht nur seine Entführung durch Geillies haben ihn geprägt, sondern auch seine Zeit bei den Mohawks.
“I dinna ken what I am, or what I believe. But I’ll always have a home with Uncle Jamie. I dinna ken if my place is with them, or for how long.” – bewegende und weise Worte eines tiefsinnigen, starken Mannes, der einen weiten Weg voller wundervoller Momente, aber auch schmerzlicher Erfahrungen hinter sich hat. Young Ian ist von Jamies persönlichen Troublemaker aus der dritten Staffel zu einem Mann herangewachsen, dem zwar die Traurigkeit und die Sehnsucht ins Gesicht geschrieben steht, der aber trotzdem seine Warmherzigkeit, seine Fähigkeit zu lieben, seinen Sinn für Gerechtigkeit und seinen Humor nicht verloren hat.
Roger….
Das Allerwichtigste vorweg: ich liebe, liebe, liebe Roger in dieser Folge und ich werde nicht müde zu erwähnen, dass mich Richard wieder einmal total begeistert hat. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mit seinem Schauspiel meinem Roger Mac aus dem Buch Leben einhaucht.
Die Folge beginnt mit Roger Mac in Action – ein Weidenkorb mit Henri-Christian darin treibt auf dem Fluss und kommt dem Wasserfall immer näher. Gott sei Dank ist Roger zur Stelle und stürzt sich todesmutig in das reißende Gewässer, um das Baby vor dem sicheren Tod zu retten. Rogers grollende Stimme, wenn er nach Germain ruft, ist sehr beeindruckend, denn auch, wenn er nicht Germains Vater ist, gehört er als Onkel zum engsten Familienkreis und ist zu dieser Reaktion mehr als berechtigt. Pfarrers Katze ist eine laute Katze! Pfarrers Katze ist eine wütende Katze!
Wie auch Young Ian hat Roger einen enormen Entwicklungsschritt gemacht und seinen Platz auf der Ridge gefunden und sich im Herzen seines Schwiegervaters etabliert. Nicht nur, dass er die Situation mit Henri-Christian und den Jungen mit dem benötigten Fingerspitzengefühl ausgezeichnet händelt und sich im Handumdrehen das Vertrauen von Amy McCallum erwirbt, sondern er geht in seiner Rolle als Prediger voll und ganz auf. Der Reverend wäre sehr stolz, wenn er Rogers Predigt über Moses hätte hören können und die Hingabe in seinen Augen hätte sehen können, wenn sein Neffe vor seiner Gemeinde steht und ihnen die Worte Gottes näherbringt.
Claire…
Claire erlebt während eines Gespräches mit Jamie einen Flashback, bei dem sie Lionel Brown im Spiegel sieht, der sie beschuldigt, des Teufels zu sein. Wenn Claire das Wissen von heute hätte, dann wüsste sie, dass sie Jamies Worte und der Begriff “devil” getriggert haben. Aber leider kann sie das nicht wissen, denn PTBS wurde erst seit 1980 als formelle Diagnose eingeführt und so versucht Claire sich erneut mit Äther zu betäuben, wird aber von Tom Christies Anwesenheit in ihrem Untersuchungszimmer daran gehindert.
Was ich wirklich sehr schade finde, ist, dass Claire ihre Ängste nicht mit Jamie teilt. Niemand sonst kann sie besser verstehen, als er, denn Jamie hat selbst erlebt, was es bedeutet, wenn jemand die innere Festung zerstört und nichts davon übrig bleibt, wo sich die verängstigte und wimmernde Seele verstecken kann.
Jamie…
Jamie ist nicht nur der perfekte Laird, Ehemann und Vater, sondern auch ein warmherziger, verständnisvoller und liebender Großvater. Ich schmelze in der Szene, in der er den Jungen ihre Lektion in Bezug auf den kleinen Henri-Christian lehrt, fast weg, so süß und bewegend ist dieser Moment.
”But whoever else he belongs to, Henri-Christian belongs to me.” sagt Jamie und zeigt damit, dass er seinen Enkel bedingungslos akzeptiert und zu ihm steht. Ob die Pächter auf Frasers Ridge oder die ganze Welt Henri-Christian ablehnen, macht für Jamie keinen Unterschied, denn sein Enkel ist ein Mitglied seiner Familie und das allein ist Grund genug, Fergus und Marsalis Sohn bedingungslos zu lieben. Come what may!
Wer von uns Zuschauern bis dahin nicht vor Liebe zu JAMMF zerflossen ist, dem passiert es spätestens dann, wenn Jamie zu Germain “He’s your wee brother. He needs your protection.” sagt. Wenn ich daran denke, was in Buch 7 dem armen Henri-Christian passiert, stimmt mich Jamies Satz sehr melancholisch.
Übrigens wissen wir durch diese Szene auch, wie der Schürhaken aus der Title Card zum Einsatz kommt.
Jamie und Claire…
Die nonverbale Kommunikation zwischen Jamie und Claire, wenn Claire Tom fragt, ob er ein Masochist ist, ist unbezahlbar. Himmel, wer hätte gedacht, dass Jamie so viel mit nur einem kurzen Blick sagen kann. Zum einen gibt er Claire zu verstehen, dass ihm der Begriff bekannt ist und zum anderen bittet er Claire nonverbal, ihr Temperament zurückzunehmen und Toms Sturheit diesmal einfach Toms Sturheit sein zu lassen.
Jamie ist bei der Operation, die Claire an Toms Hand vornimmt, anwesend, um seiner Frau und auch Tom zur Seite zu stehen. Auch hier sind die Blicke, die sich die Frasers zuwerfen, schlichtweg göttlich amüsant. Was mir an dieser Szene am besten gefällt? Jamie, der aus der Bibel vorliest. Hand auf Herz – wer von euch träumt nicht davon, von Jamie mit seiner tiefen, ausdrucksstarken Stimme, gepaart mit diesem wundervollen Highlandakzent die Bibel oder das Telefonbuch oder die Gebrauchsanleitung der Kaffeemaschine vorgelesen zu bekommen?
Übrigens ist es nicht ganz richtig, wenn Jamie zu Tom sagt, dass er weiß, was es bedeutet, wenn Claire einem bei vollem Bewusstsein die Hand aufschneidet. Da haben sich wohl die Erinnerungen von Buch-Jamie und TV-Jamie vermischt, denn es ist richtig, dass Buch-Jamie keine Betäubung außer ein bis achtundvierzig Dram Whisky hatte, als Claire ihm nach seiner Befreiung aus Wentworth seine zertrümmerte Hand gerichtet hat, aber TV-Jamie hatte dafür von Claire Laudanum bekommen.
Claire und Tom…
Die Szenen zwischen Claire und Tom entwickeln eine interessante Dynamik und arbeiten die Entwicklung ihrer “Beziehung” sehr gut heraus, insbesondere Toms Meinung und Einstellung bezüglich Claire. Interessant ist es, dass Tom meiner Meinung nach menschlicher, rechtschaffener und zuweilen auch zugänglicher wirkt, als in den ersten beiden Folgen und sein Charakter in dieser Episode mehr Grautöne und Tiefe erhält. Trotzdem bleibt er seinen grundsätzlichen Charaktereigenschaften treu und ist ein mit Vorsicht zu genießender “educated” Mistkerl.
Claire denkt, das sie durch die Unterhaltungen einen Zugang zu Tom gefunden, ihn durch die geglückte Operation seiner Hand gütiger gestimmt und in der Liebe zu Romanen eine Gemeinsamkeit gefunden hat, aber Mr. Christie himself macht ihr mit seiner Notiz “This is filth. I thought better of you.” in Bezug auf den Roman “Tom Jones” einen dicken Strich durch die Rechnung. Und am Ende ist es, wie es ist – Claire und Tom gehen in ihrer “Beziehung” einen Schritt nach vorne, nur um dann wieder zwei zurückzugehen!
Im Laufe der Konversation, die Tom und Claire abends führen, wenn Claire vor dem Schlafengehen noch einmal seine frisch operierte Hand untersucht, gesteht er mit seinen Worten “an act of extraordinary courage… incomprehensible”, dass er nicht nachvollziehen kann, warum Jamie in Ardsmuir die Bestrafung für den verbotenen Tartan auf sich genommen hat. Ich kann nicht nachvollziehen, dass Tom das nicht nachvollziehen kann, denn Jamie hat sich in meinen Augen außergewöhnlich mutig verhalten. Aber wenn ich noch einmal darüber nachdenke, verstehe ich, warum das für Tom unbegreiflich ist. Tom ist kein Mann, der sich für andere opfert, der sich selbstlos verhält und dem die Sicherheit und das Leben seiner Lieben mehr bedeutet, als sein eigenes Leben. Tom würde niemals seine Frau und sein ungeborenes Kind selbstlos in Sicherheit bringen, um danach nur noch ein halbes Leben voller Schmerz und Einsamkeit leben zu müssen. Tom würde niemals seinen Sohn, der in einer einsamen und emotional dunklen Zeit der einzige Lebensinhalt ist, verlassen, um ihn vor Schande zu schützen und ihm ein gutes Leben zu ermöglichen. Auch würde Tom sich never ever BJR in Wentworth freiwillig unterwerfen und seine Seele für die Sicherheit seiner Frau geben. Und genau da liegt der Unterschied zwischen Jamie und Tom – Jamie ist ein selbstloser Held, während Tom nur ein einfacher Mann ist, der unter seiner abwertenden Meinung bezüglich Jamie, eine gehörige Portion Neid und Missgunst verbirgt.
Das anschließende Gespräch zwischen Jamie und Claire behandelt einen weiteren Unterschied zwischen Jamie und Tom. Während Tom sich in Ardsmuir in sich zurückgezogen hat und auch jetzt noch vor Berührungen zurückschreckt, hat sich Jamie immer nach menschlicher Nähe gesehnt. Während Tom Angst hat, jemandem zu vertrauen, kann Jamie Zärtlichkeiten zulassen, empfindet Claires Hände als heilend und kann sich in ihren Berührungen wortwörtlich verlieren. Tom macht in seinem Denken einen großen Fehler – Nähe und Gefühle zuzulassen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern zeugt von großer Stärke. Alle Mauern fallen zu lassen, mit seinem ganzen Herzen bedingungslos zu lieben, sich schwach zu zeigen und dem einen Menschen vertrauensvoll die Macht in die Hand zu geben, die einen vollständig zerstören könnte, darin liegt wahre Stärke. Dieses kann man nur dann verstehen, wenn man weiß und fühlen kann, was reine und bedingungslose Liebe ist und ich bin sehr dankbar, dass Jamie all dieses in Claire gefunden hat. Poor Tom, weil er diese Erfahrung niemals in seinem Leben machen wird.
Fergus und Marsali
Nachdem Cesar in den vergangenen drei Staffeln in seiner Rolle als Fergus nicht viel mehr als ein “Qui, Milord” zum Geschehen beigetragen hat, darf er in dieser Folge endlich sein Talent unter Beweis stellen. Was kann ich anderes sagen, als dass er seinen Charakter perfekt darstellt, ihn in allen Szenen brillant und facettenreich spielt und uns Fergus Wut, Verzweiflung und Hilflosigkeit äußerst herzergreifend zeigt. Auch Lauren hat mich hundertprozentig als Marsali überzeugt und beide zusammen haben dieses schwerwiegende emotionale Thema mit sehr viel Feingefühl und Respekt gespielt.
Wenn Henri-Christian nach Rogers Rettungsaktion wieder sicher im Haus seiner Eltern in seiner Wiege schlummert, verlässt Fergus die Hütte, nachdem er und Marsali die Situation mit Germain versucht haben zu klären. Claire geht Fergus nach, besorgt über sein Verhalten, sein Trinken und die ganze Situation im Allgemeinen.
Aufgrund von Fergus Reaktion nach der Geburt des Babys konnte in der letzten Folge bei Nicht-Buchlesern der Eindruck entstehen, dass er seinen Sohn wegen seiner Behinderung ablehnt. Aber das Gegenteil ist der Fall, wie man aus dem Gespräch zwischen ihm und Claire erfährt, denn es ist die Sorge um die Sicherheit und die Zukunft seines Sohnes, die Fergus umtreibt, auch wenn Claire ihm versichert, dass weder sie noch Jamie zulassen werden, dass dem Baby etwas passiert. Aber das besänftigt den besorgten und aufgewühlten Vater nicht, weil er andere leidvolle Erfahrungen in seiner Zeit im Bordell gemacht hat. Er erzählt Claire von seinem Freund Luc, der genau wie Henri-Christian kleinwüchsig gewesen ist. Fergus hat Luc eines Tages mit durchgeschnittener Kehle in einer Gasse gefunden und dessen Leiche wurde an einen Arzt verkauft, der den Körper seines Freundes zerstückelt hat, um einzelne Teile an Wahrsager abzugeben.
Was für eine Horrorgeschichte – kein Wunder, dass Fergus mit diesen Erfahrungen Angst und Bange wird, wenn er an die Zukunft seines Sohnes denkt und was passieren wird, wenn niemand von ihnen mehr lebt und Henri-Christian vor der Grausamkeit der Welt beschützen kann.
Die anschließende Streit-Szene zwischen Marsali und Fergus bewegt mich sehr. Da stehen sich zwei Menschen gegenüber, die sich von ganzem Herzen lieben, die sich in der Vergangenheit niemals aufgegeben und immer bis zum Äußersten gekämpft haben und die jetzt so verzweifelt sind, dass es einem das Herz bricht.
“I can fight for us too.” sagt Marsali zu Fergus, um ihm zu zeigen, dass sie nicht von ihm erwartet, dass er stark sein und die Familie beschützen muss. Sie wünscht sich nur, dass Fergus aufhört zu trinken und wieder zu dem Mann wird, in den sie sich verliebt hat. Um ihm zu beweisen, dass sie in der Lage ist, für sich und die Familie zu kämpfen, gesteht sie ihm, dass sie Lionel Brown getötet hat. Leider erreicht sie damit genau das Gegenteil, denn Fergus fühlt sich durch die Stärke und den Kampfgeist seiner Frau nur noch weiter gedemütigt und “entmannt” und verlässt daher im totalen Selbstzerstörungsmodus aufgebracht die Hütte. “I’ll have a whole man or none at all.” ruft ihm Marsali hinterher, bevor sie verzweifelt weinend zusammenbricht. Himmel, was für eine mutige und starke Frau, denke ich. Und ich empfinde in diesem Moment so viel Empathie und Mitleid für Marsali, denn wie soll sie für ihren Mann, für ihre Familie und für ihre Liebe kämpfen, wenn sich ein Teil aus der Partnerschaft vielleicht für immer emotional verabschiedet hat.
Jamie im Kilt ist immer einen Anblick wert und meiner Meinung sehen wir viel zu wenig davon, denn bis jetzt haben wir Jamie auf Frasers Ridge nur zweimal im Kilt gesehen. Zum einen in Folge 501, wenn er seine Männer am “Fiery Cross” an seine Seite ruft und zum anderen in Episode 512, wenn er als Highland-Krieger in den wichtigsten Kampf seines Lebens zieht, um Claire aus den Fängen von Lionel Brown zu befreien. Beide Male hat Jamies Kilt eine große symbolische Bedeutung, die ich seitenlang interpretieren könnte (habe ich übrigens auch in meinen Reviews zu 501 und 512 gemacht).
Aber irgendwie fehlt mir in den ersten Sekunden, in dem ich Jamie mit Angel in der Hand und Ledertasche über seiner Schulter sehe, der konkrete Bezug, warum er gerade jetzt seinen Kilt trägt. Vielleicht, um beim Angeln seine Hosenbeine nicht nass zu machen? Es dauert aber nicht lange, bis mir klar wird, warum Jamie seinen Kilt ausgerechnet jetzt trägt. Ihm steht wieder einmal eine wichtige und lebensverändernde Mission bevor, denn in der kommenden Szene rettet er seinem Adoptivsohn nicht nur das Leben, sondern er bringt Fergus mit seinen Worten und seiner väterlichen Liebe zurück ins Leben, zurück in die Arme seiner Frau und an die Seite seiner Kinder.
Wenn Jamie zu Fergus Rettung eilt und seinen Selbstmordversuch verhindert, werde ich das Gefühl nicht los, gerade ein Déjà-vu zu erleben. Dieser Moment weist viele Parallelen zu der Szene aus Folge 302 auf, in der Fergus seine Hand verliert: Jamie auf der Suche nach Nahrung (hier: Fische, in 302 ein Hase) – Jamie, der einen Hügel im Wald zu Fergus hinuntersprintet – Jamie, der Fergus Arm abbindet (hier mit seinem Halstuch, in 302 mit seinem Gürtel) – Jamie, der seinen Sohn in den Armen hält (in 302 trägt er ihn, aber dass das hier nicht passiert, ist der Größe und dem Gewicht seines jetzt erwachsenen Sohnes geschuldet).
Die Szene ist ergreifend und Sam und Cesar haben mich mit ihrer Darstellung zu Tränen gerührt, besonders wenn Fergus unter Tränen der Verzweiflung Jamie mit den Worten “I’m nothing. I’m useless.” seinen Kummer offenbart. Seit Monaten nagt dieser an seiner Seele und hat sich durch den Vorfall mit Henri-Christian am Fluss und dem Streit mit Marsali zu einem unerträglichen Schmerz entwickelt, der seinen Höhepunkt durch die Beleidigungen des Mistkerls MacGregor auf dem Quarter Day findet. Jamie zwingt Fergus ihm in die Augen zu sehen und ihm zuzuhören. “Mon fils” spricht er ihn an und erinnert seinen Sohn an all die Dinge, die er in der Vergangenheit auch mit nur einer Hand richtig gemacht hat – er hat die Familie zusammengehalten, als Jamie in Ardsmuir inhaftiert war, er hat Jamie in Edinburgh in der Druckerei geholfen und er stellt einen der besten Whiskys her. “You’re the only one who can show your son what a useless man can achieve.” sagt Jamie zu Fergus und es ist herzergreifend, wie sehr er Fergus liebt und wie sehr sein Sohn den Worten seines Vaters vertraut. Weder Roger und Claire noch Marsali konnten Fergus zur Vernunft zu bringen, aber Jamie schafft am Ende das fast Unmögliche, wenn er Fergus liebevoll auf die Stirn küsst und ihm aus seiner knienden Position wortwörtlich und im übertragenen Sinne wieder auf die Beine hilft, um ihn zu Marsali zu bringen.
Und wer jetzt noch trockenen Auges ist, der ist es spätestens in dem Moment nicht mehr, wenn Fergus in Begleitung seiner Adoptiveltern unter Tränen mit den Worten “I’m sorry. Never again.” seinen Weg zurück nach Hause, in die offenen Armen seiner Frau findet und seinen Sohn liebevoll anschaut und küsst.
Bear McCreary unterstreicht im Abspann durch die Komposition des von Paradetrommeln begleiteten CnD-Theme das, worauf uns die Serie seit der fünften Staffel immer wieder vorbereitet. “The storm, the war… it’s almost here.” sagt Claire am Ende dieser Episode, wenn Major MacDonald mit Waffen für die Cherokees und einer Zeitung mit einem Artikel über die “Boston Tea Party” auf Frasers Ridge ankommt. Es ist soweit – die Amerikanische Revolution steht auf der Schwelle von Frasers Ridge, um irgendwann in nächster Zeit an die Tür zu klopfen und um Einlass zu bitten.
Verdammt! Können die Frasers nicht einfach in Ruhe und Frieden leben? Aber dann hätten Dianas Bücher nicht so viele Seiten und die Serie keine spannende und nebenbei auch noch historisch bildende Story, oder?
Je suis prest – Come what may!
@ Yvonne Pirch
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